Aussergewöhnliche Festival-Fotos findet man nicht so oft auf diesem Planeten. Klar gibt es tonnenweise schöne Fotos und schöne Portraits und Konzertaufnahmen so scharf, dass man Madonnas Nasenhaare erkennen kann. Aber meistens sind auf den Bildern die immer gleichen Posen, mit mehr oder weniger austauschbaren Personen und wechselnden Locations zu sehen. Wir gehen da etwas anders ans Werk! Keine langweiligen Festival-Bilder mehr!

Text & Bilder: Markus Mallaun


Woran liegt es? Das Problem beginnt in den Wurzeln; Beim Auftraggeber, bei den Fotografen selber und beim Markt.

Der Kunde muss mitmachen

Da wären zum Einen mal die Festivalbetreiber selber, bzw. für uns Fotografen; Unsere Kunden. Ihre Beweggründe sind meist kalkulierbar. Mächtige Headliner, voller Laden, schöne Berichterstattung und keine grösseren Probleme – gut ist.

Kommt hinzu, dass sie von Fotografenangeboten nur so überschwemmt werden. Wenige betrachten ihr Festival als ganz wertvolle Marke (wie zum Beispiel Tomorrow-Land / oder Burning Man), die es zu pflegen gilt und ihren eigenen Look haben soll. Aber wenige Festival-Betreiber verstehen es, ihre Bildwelt kommunikativ richtig einzusetzen, um mit tollen Fotos ihre Festival-Marke zu stärken. Nicht selten landen Bilder irgendwo in einer Foto-Gallery – unkommentiert, phantasielos oder in einer Menge, die jeden Web-Reisenden erschlägt. Langweilige Festival-Bilder, eben.

Gruppe von Besuchern am Openair Frauenfeld kippen Wasser über zwei Besucherinnen im Pool auf dem Zeltplatz

Wenn der Partyknipser loslegt

Und dann wäre da das Fotografen-Angebot. Der ganz grosse Teil sind Party-Knipser. Sie pilgern von Festival zu Festival und füllen Ihre Speicher mit den Bits und Bites von Personen, die fehlerfrei ihr Hände zu Herzchen formen können oder ohne fremde Hilfe mit ihren Lippen ein Duckface zaubern können. Oder jene Fotografen, die im Backstage umherschwirren und in ihrer improvisierten Krea-Fotozone zusammen mit den Stars starke Kleinkunst fabrizieren. Deren Bilder schaffen es zwar ins Feuilton, schrammen damit aber ein ganz klein wenig fest an der Zielgruppe Festivalbesucher vorbei. Keines dieser Fotowerke können vom Festival-Betreiber schlussendlich optimal für die Vermarktung verwendet werden. Und keines dieser Bilder wird den Betrachter irgendwie aus den Latschen hauen können.

Junger Festivalbesucher trinkt einen Becher Milch, schaut verwirrt in die Kamera und hat einen Milch-Schnauz

Und ganz zum Schluss sind da noch die Vertreter der Zunft der Graben-Fotografen. Jene Kollegen, die sich über Stunden mit Ohropax in den Lauschern im Fotograben vor der Bühne bemühen, die ganz grossen Stars vor die Linse zu bekommen, um dann das möglichst bessere Bild zu schiessen, als der Kumpel gleich neben ihm und der neben ihm und der neben des anderen von ihm. Alle mit der gleichen Ausrüstung und alle mit grossen Ambitionen.

Gruppe drei junger Festival Besucherinnen posieren in tiefem Schlamm auf dem Frauenfeld Festival

Finde die Perle!

Die letzte grosse Hürde zum coolen Festival-Bild, ist der Festival-Besucher selber. Da sind nicht selten Leute wie du und ich dabei, die einfach ein paar Tage eine coole Zeit, tolle Konzerte und eine unvergessliche Stimmung geniessen wollen. Nichts Extravagantes, nichts Spezielles, einfach ganz entspannte Normalos und für ein spannendes Bild so interessant, wie das leise Furzen eines heranwachsenden Grashüpfers, der heute Morgen auf einer Wiese in den Pampas das Licht der Welt erblickt hat. Und nicht jedes Festival hat die gleiche Ausstrahlung und Sexyness wie ein Burning Man Festival oder so abgedrehte Besucher wie das Fetish-Schiff auf dem Bodensee. Der ganz normale Alltag ist oft die Realität vor der Linse. Oder das Gegenteil: die ganz ordinäre Bierbankfestzeltstimmung, wie sie an jedem anständigen Dorffest mit Grümpelturnier anzutreffen ist. Deshalb haben wir uns auf die Fahne geschrieben: „Keine langweiligen Festival-Bilder mehr.“

DIE GANZ ORDINÄRE FESTZELTSTIMMUNG, WIE SIE AN JEDEM ANSTÄNDIGEN DORFFEST ANZUTREFFEN IST

Bärtiger Festival Besucher mit Grills hält Bierbecher in Kamera am Openair Frauenfeld vor Bierstand

Die Perlen zu finden – das ist die Kunst. Jene Festival-Besucher, die das Festival auch als ihre kleine Showbühne betrachten, die Vollgas geben und warum auch immer sich von der Masse abheben und Spass daran haben vor der Kamera etwas auszuprobieren. Mit solchen Leuten macht auch das Arbeiten mehr Spass und die Wahrscheinlichkeit, dass das Bild dadurch ein Knaller wird, steigt ums ein Vielfaches.

Festivalbesucher baut Bogen aus Bierdosen am Openair Frauenfeld im Schlamm

Drama Baby, Drama!

Festival-Fotografie ist dann primär noch Entertainment und etwas technisches Verständnis. Man muss mit den Protagonisten zusammen das Bild entstehen lassen und sie richtig fordern. Wer so wie wir – inszenierte Portraits machen möchte, der soll sich Zeit nehmen und mit den „Models“ zusammen die Bildidee entwickeln. Der Kontakt, bzw. die Verbindung zum Model ist für uns Fotografen sowieso das A und O eines gelungenen Portraits. Deshalb beziehe ich meine Models immer in die Entstehungsgeschichte der Bilder mit ein. Kannst du fliegen? Hast du Superkräfte? Haben wir einen Eimer Wasser? Kannst du Feuer schlucken? Beherrschst du den Handstand?

Starker dunkelhäutiger Festivalbesucher zeigt seinen Bizeps in Kamera auf dem Zeltplatz

Nach 4 Tagen Non-Stop-Festival-Fotografie sind wir jeweils reif für die Insel. Anspruchsvolle Festival-Fotografie ist ein richtiger Knochenjob. Egal was für Wetter und welche Produktionsumstände deinen Auftrag begleiten: Du bist verantwortlich für die tollen Bilder und du bist verantwortlich, dass die am Ende der Party geliefert werden. Du wirst den ganzen Tag Equipment schleppen, du wirst dich durch Schlamm und Staub kämpfen und von den geilen Giggs auf der Bühne wirst du nur am Rande was mitbekommen. Tröstet euch; Der Einsatz ist es Wert! Ein gutes Bild war schon immer ein Kampf und wer möchte schon von sich behaupten müssen, „nur ein weiteres austauschbares Partyföteli“ produzieren zu wollen?

Gruppe von Festivalbesuchern trinkt Bier am Zeltplatz aus blauem Wagen voller Bier

Und wie verändern wir nun die Bildlandschaft der Festival-Fotografie?

Liebe Festival-Verantwortliche. Betrachtet eure Bilder in Zukunft verstärkt als mächtiges Instrument zum Aufbau und Pflege eurer Marke – eurer Festival-Marke. Weniger ist oftmals mehr. Verzichtet deshalb auf die 10’000 Bilder, die man euch unsortiert vorlegt. Entscheidet euch für wenige, dafür herausragende Bilder. Und seid euch auch bewusst, dass gute Bilder Geld kosten. Auch wenn der Cousin vom OK-Präsidenten fotografieren kann und euch die Party-Bildli-Portale ihre Ergüsse fast kostenlos anbieten: Lehnt dankend ab und wendet euch an die Profis. Genauso wichtig wie ein toller Headliner auf der Bühne, ist der zu eurer Festival-Marke passende Fotograf in der Crowd. Gute Bilder zu haben ist aber nur eine Seite der Medaille. Ein ganz anderes Thema ist der richtige Umgang mit guten Bildern. Die optimale Einbindung der Community und die passende Interaktivität mit Social Media und der Presse. Erst so werden Bilder euch helfen, eurem Festival ein einzigartiges Gesicht zu verleihen und die Besucher mit tollen bildlichen Emotionen nachhaltig zu beweihräuchern. So stellt ihr sicher, dass es keine langweiligen Festival-Bilder mehr gibt. 

Zwei Festival Besucherinnen giessen gegenseitig Wasser aus Flaschen über sich am Openair Frauenfeld

Liebe Festival-Fotografen. Betrachtet eine Festival-Reportage weniger als das Schiessen von Gruppenfotos mit austauschbaren Leuten. Macht euch auch durchaus über eure Technik und Ausrüstung Gedanken. Aber vorallem: Stellt euch die Frage, wie ihr euch mit euren Fotos von der Konkurrenz unterscheiden möchtet. Und arbeitet um Himmels Gotts Willen mit den Leuten und lasst sie nicht einfach vor eurer Linse stehen wie eine Gruppe Konfirmanden vor ihrer ersten Kommunion. Entertainment Leute! Entertainment! Und wer nach seinem Einsatz noch fit ist, der hat nicht alles gegeben.

Und liebe Festival-Besucher. Freut euch einfach auf den etwas anderen Festival-Fotografen, habt Spass mit ihm und versucht euer bestes zu geben, wenn der Fotograf von euch einen kleinen Stunt fabriziert haben möchte.

Festival Besucherin springt in die Luft und ein anderer Besucher kippt einen Eimer Wasser über sie im Flug am Openair Frauenfeld

10 Jahre Festival-Fotografie am Frauenfelder Openair

Seit 2012 produzieren wir die offiziellen Vermarktungs- und Presse-Bilder fürs Frauenfelder Openair. Jahr für Jahr tauchen wir ab, in den tiefen Sumpf des Gummistiefelkriegsschauplatzes und dokumentieren das grösste Hip-Hop Festivals Europas. Je nach Wetter ists dort entweder sauheiss oder saunass. Letztes Jahr war es vorallem saunass und unser Equipment stand nur so vor Dreck und Schlamm. Ausgerüstet mit maximaler Leistung Blitz und viel Kraftreserven, entstand über die Jahre eine spannende Serie Rund um das Festival und deren Besucher – keine langweiligen Festival-Bilder mehr. 

Wir haben übrigens ein Buch über unsere Festival-Produktion produziert. Das Buch gibts hier bei Blurb zu bestellen.

Und in unseren Showcases gibts weitere Beispiele, wie wir mit unserer Kamera kreative Bilder produzieren.